Emotionale Intelligenz? Ein teurer Schwindel!
Ein Artikel von Ruth Pauline Wachter Geschätzte Lesezeit: 5-6 Minuten
Vor einigen Jahren saß ich in einem Meeting mit meinem HR-Team. Sie strahlten.
„Wir schicken sie alle ins Emotionale-Intelligenz-Training! Danach sind sie empathischer!“ verkündete jemand begeistert.
Ich lehnte mich zurück. Genoss den Moment. Wartete.
„Aha. Und wie genau soll das gehen?“ fragte ich schließlich.
„Naja, Reflexion, Selbstwahrnehmung, geschickte Kommunikation – nach zwei Tagen sind sie wandelnde Empathie-Maschinen!“
Ich konnte mir gerade noch das Augenrollen verkneifen.
„Okay. Und was macht ihr mit den Leuten, die das von Natur aus können?“
Betretene Stille.
Denn das ist der wahre Skandal: Unternehmen investieren Millionen in Empathie-Trainings für Leute, die ohne Anleitung keinen Funken echtes Mitgefühl entwickeln – und sortieren gleichzeitig die Menschen aus, die diese Fähigkeit instinktiv beherrschen.
20 % der Menschen sind hochsensibel – sie spüren Stimmungen, bevor jemand sie ausspricht.
Sie entschärfen Konflikte, noch bevor HR überhaupt merkt, dass es brodelt.
Sie navigieren durch emotionale Dynamiken mit einer Präzision, die kein Workshop vermitteln kann.
Und doch schreit die innere Stimme ...
🚫 „Zu emotional.“
🚫 „Nicht stressresistent genug.“
🚫 „Zu sensibel für unsere Führungsebene.“
Ihr sucht die perfekte Führungskraft – und schickt eure besten Kandidaten nach Hause.
Missverständnis Nr. 1: „Das betrifft doch nur Frauen!“
„Ja, aber Hochsensibilität – das sind doch eher emotionale Frauen, oder?“
Ich atme tief durch.
Laut meiner eigenen Dissertation sind nur 57,1 % der hochsensiblen Menschen weiblich.
Das heißt: Fast die Hälfte der hochsensiblen Menschen sind Männer – nur redet keiner darüber.
Warum? Weil ein Mann, der tiefer fühlt, noch immer als „zu weich“ abgestempelt wird. Weil eine Frau, die intensiv wahrnimmt, als „zu sensibel“ gilt.
Und währenddessen übt ein Manager in einem teuren EI-Training, wie er „authentisch wirkt“, indem er richtig nickt und die Stirn in Mitleidsfalten legt.
Ironie des Jahrhunderts? Ich denke schon.
Missverständnis Nr. 2: „Hochsensible leiden doch nur mit anderen mit!“
„Hochsensible? Die weinen doch ständig mit den Leuten mit und werden dann selbst zur Belastung.“
Halt. Stopp.
Q: Geht ein Hochsensibler nicht in Konflikten unter?
A: Ein trainierter Hochsensibler? Der kann genau das, was ihr euch von emotionaler Intelligenz erhofft. Er spürt Stimmungen – aber lässt sich nicht von ihnen beherrschen. Er versteht Emotionen – aber verliert nicht die Kontrolle über sich selbst Er ist empathisch – aber nicht manipulativ.
Das ist der Unterschied.
Der Unterschied zwischen trainierter und angeborener Empathie
Ich erinnere mich an eine Diskussion mit meinem Professor Richard Boyatzis.
„Kognitive Empathie kann man lernen“, sagte er, „sie wird niemals echte Empathie ersetzen".
Kognitive Empathie: Die Person versucht sich gedanklich in die Situation des Gegenübers reinzuversetzen.
Echte Empathie: Die Person fühlt ohne zu denken, wie es dem Gegenüber geht.
Ich dachte an all die Führungskräfte, die ich erlebt habe. Die, die trainiert wurden, „Interesse zu signalisieren“. Die, die sich genau überlegt haben, wann sie mitfühlend nicken sollten.
Und dann dachte ich an die Hochsensiblen, die ich begleite.
Die, die nicht überlegen, wie sie emphatisch wirken – weil sie es einfach sind. Die dir tief in die Augen sehen und genau wissen was sich in dir abspielt, auch wenn du dich noch so sehr bemühst es zu verstecken.
Und genau das macht ein Training zur Förderung von Emotionaler Intelligenz
Führungskräfte wissen, wann sie wie auf wen reagieren sollen. Machen sie es dann auch?
In Stresssituationen, ist dieses Gelernte nicht mehr abrufbar und Menschen reagieren wie vor dem Training.
Erstere hilft, um in Gesprächen professionell zu wirken. Letztere macht echte zwischenmenschliche Verbindungen unmöglich, da die Authentizität fehlt.
Warum Unternehmen die falschen Maßstäbe setzen
Unternehmen sagen, sie suchen Menschen mit emotionaler Intelligenz.
Was sie eigentlich suchen, sind Leute, die Emotionen strategisch einsetzen können – und nicht Menschen, die wirklich fühlen.
Denn echte emotionale Intelligenz sieht nicht aus wie ein Harvard-Artikel.
Sie ist nicht glatt, perfekt und methodisch abgerufen.
Sie ist roh, sie ist intuitiv – und sie ist echt.
Aber stattdessen selektiert ihr in euren EI-Tests nach „kognitiver Empathie“ – also danach, wer am besten so tut, als wäre er emphatisch.
Genialer Schachzug.
Fazit: Echte emotionale Intelligenz kann man nicht trainieren – aber Hochsensibilität kann perfektioniert werden
Hier ist die Wahrheit, die niemand hören will:
Man kann emotionale Intelligenz nicht antrainieren, aber Menschen mit Hochsensibilität in ihrer Persönlichkeitsentwicklung fördern, damit sie mit der Fähigkeit umgehen lernen.
Ein gut entwickelter Hochsensibler ist eine bessere Führungskraft, weil sie authentisch, empathisch und verletzlich ist. Genau die Eigenschaften, die Top-Führungskräfte nach aktueller Forschung ausmachen
Die wirklich emphatischen Menschen bekommen keine Führungsrollen, weil sie als zu weich eingestuft werden.
Stellt euch vor, ihr würdet eure besten Talente nicht aussortieren, sondern fördern.